MZ

KANTON SOLOTHURN

Donnerstag, 8. Januar 2004
«Wir wollen kein totales Jagdverbot»
Abstimmung 8. Februar Die Argumente des Komitees für die Einschränkung der Jagd
 
«Wildtiere gehören der Allge­meinheit, nicht nur den Jägern.» Das Komitee, das mit zwei Volksinitiativen die Jagd im Kanton Solothurn einschränken will, lancierte gestern seine Kampagne für die Abstimmung am kommenden 8. Februar.
GIOVANNI LEARDINI
ZWildtiere und für eine zeit-gemässe Jagd». Mit diesem Slo­gan steigt das Komitee, das die Jagd im Kanton Solothurn mit zwei Volksinitia­tiven einschränken will, in den Kampf für die Abstimmung vom kommenden 8. Februar (s. Kästchen). «Wildtiere gehören der Allgemeinheit, nicht nur den Jägern», sagte Marco Jakob, Präsi­dent des Komitees, gestern Mittwoch­nachmittag in Solothurn zu den Medi­en. Jakob und einige seiner Mitstreiter zählten dann die Argumente für die Ini­tiative «Ja zum Schutze der Feldhasen, Vögel und Dachse» auf: «Feldhasen stehen seit 1994 auf der roten Liste der gefährdeten Tiere und haben bereits viele natürliche Feinde; Vögel abzu-schiessen ist weder nötig noch be­gründbar; Dachse sind nachtaktiv, die meisten werden daher Opfer des Stras-senverkehrs; die von den Jägern abge­schossenen Dachse und Feldhasen ha­ben ein Durchschnittsalter von nur drei bis vier Jahren, während sie normaler­weise 12 Jahre alt werden.»
Zur zweiten Initiative, «Ja für ein Ja­gen ohne Treiben», sagten die Initian-ten: «Treibjagd ist eine mittelalterliche Tradition ohne zeitgemässen Sinn und Zweck; Treibjagden sind absolut unnötig, unethisch, tierquälerisch und äusserst tierverachtend; Rehe haben ein unterdurchschnittlich kleines Herz - sie zum Plausch mit Hunden herum-zuhetzen grenzt an Sadismus; Treib­jagden sind zu reinen gesellschaftli­chen Anlässen verkommen, meist mit geladenen Gästen und Behörden.»
«Die Bevölkerung ist auf unserer Seite»
«Der Kantonsrat hat unsere Initiati­ven zwar klar abgelehnt. Trotzdem kön­nen wir die Abstimmung vom 8. Febru­ar gewinnen», zeigte sich Martin Iseli, Pressesprecher des Komitees, über­zeugt. Bereits die vielen positiven Feed­backs während der Unterschriften­sammlung hätten nämlich gezeigt:
«2 x Ja» Der Präsident und der Pressesprecher des Initiativkomitees:
Marco Jakob (l.) und Martin Iseli.
           oliver menge
«Die Bevölkerung ist eher auf unserer Seite.» Die Jäger hätten ihnen zudem «diverse grosse Gefallen gemacht», sagte Iseli weiter - und meinte damit beispielsweise den Jagdunfall vom letz­ten November oberhalb von Selzach, als zwei Wanderer von einem Jäger an­geschossen wurden. «Das hat doch ge­zeigt, dass das Bild vom hegenden, pfle­genden und schützenden Jäger so nicht ganz stimmt.»
Im Übrigen gehe es am 8. Februar nicht um eine Abstimmung für oder ge­gen die Jagd, wie dies von der Jägerseite immer wieder suggeriert werde. «Wir sind nicht für ein totales Jagdverbot. Wir wollen nur einen Teil der Jagd ein­schränken und Tiere schützen, die sonst schon viele natürliche Feinde ha­ben», so Iseli. Bei anderen Tieren wie etwa Füchse und Rehe sei ein regulie­render Eingriff durchaus sinnvoll. Wa­rum solle aber ein Dachs abgeschossen werden, der weder grossen Schaden an­richtet, noch gegessen werden kann? «Die Jäger verpassen die Chance, für ei­nen Kompromiss zum Schutz bedroh­ter Tiere Hand zu bieten. Offenbar geht es ihnen halt doch nur um die pure Lust am Abschiessen der Tiere.»
Auch sonst kann Martin Iseli über die
Haltung der Gegenseite im Abstim­mungskampf «nur den Kopf schütteln». So hätten es die Jäger auf Anfrage des Initiativkomitees abgelehnt, an einem gemeinsamen, öffentlichen, kontradik-torischen Podiumsgespräch teilzuneh­men. «Sie wollten uns keine Plattform bieten», erklärte Iseli, der die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben hat: «Viel­leicht findet sich ja noch ein Jäger, der bereit ist, mit uns öffentlich die Klingen zu kreuzen und so den Stimmbürgern die Möglichkeit zu geben, sich eine Mei­nung zu bilden.» Jetzt werde man die Öffentlichkeit halt mit Flugblättern, Plakaten, mit einem Kino-Dia und ei­ner Internet-Homepage (1) zu erreichen versuchen. Die Mittel seien beschränkt: «Uns stehen für den Abstimmungs­kampf 8000 Franken zur Verfügung, den Jägern 200000 Franken», so Iseli.
Der «Götti» war auch anwesend
Ähnliche Verhältnisse hätten auch vor zwei Jahren im Kanton Aargau ge­herrscht, als das Stimmvolk relativ knapp eine Volksinitiative ablehnte, welche die Jagd auf Feldhasen und Blässhühner verbieten wollte, sagte Pe­ter Suter. Der Präsident des «Vereins zum Schutze bedrohter Wildtiere» war
SERIE
Zwei Anti-Jagd-Initiativen
Am 8. Februar 2004 kommen zwei Volksinitiativen zur Abstimmung, welche die Jagd im Kanton Solo-thurn einschränken wollen. Die erste fordert, «dass Feldhasen, Vögel einschliesslich Wasservögel, und Dachse zu den geschützten Tieren gehören und von den jagdbaren Tier­arten ausgenommen sind»; die zweite bezweckt dagegen, «dass die Treibjagd der Wildtiere durch Hunde, Menschen oder andere Mittel unter­sagt ist». Sowohl der Regierungs-wie der Kantonsrat haben sich klar gegen die beiden Initiativen ausge­sprochen. Diese Zeitung widmet dem Thema «Jagd» im Vorfeld der Abstimmung eine Artikel-Serie, (gio)

als «Götti» des Initiativkomitees gestern auch anwesend - und kündigte an, dass im Aargau jetzt auch Unter­schriften für eine Initiative zum Verbot der Treibjagd gesammelt werden.
(1 www.jagd-initiativen.ch