Über die Volksinitiative für ein Verbot der
Treibjagd wird am 27. November im Aargau abgestimmt. Zum Streitgespräch
im wahrsten Sinne des Wortes trafen sich AJV-Präsident Erhard Huwyler
und Haupt-initiant Peter Suter.
HANS LÜTHI
Peter Suter, die Treibjagd hat sich doch seit
Jahrzehnten bewährt, warum also abschaffen?
Peter Suter: Das ist eine überholte Tradition, die Jagd ist
noch wie vor hundert Jahren. Das ist Tierquälerei und die feigste Art
überhaupt, um Tiere zu erlegen. Doch die Jäger hängen an dieser
Methode, weil es bequem und schnell geht, aber für die Tiere ist es
brutal. Ohne jegliche Würde und ohne Gefühl werden diese Tiere erlegt,
viele auch nur angeschossen.
Erhard Huwyler: Das ist natürlich eine sehr selbstgefällige
Ansicht über die Jagd, die sie seit Jahren verbreiten. Wir sind der
fester Überzeugung, für eine nachhaltige Naturnutzung sind die Treibjagd
und die Bewegungsjagd sehr effiziente Methoden, um die Wildtierbestände
zu regulieren. Das lässt sich leicht mit zwei Zahlen belegen: 60 Prozent
der Rehwildstrecke und 40 Prozent des Schwarzwildes werden bei der
Treibjagd erlegt. Gemäss den Vorgaben des Gesetzes.
Also erfüllen die Jäger nur ihren gesetzlichen Auftrag?
Suter: Aber Herr Huwyler, wenn sie bedrohte Wildtiere
abschiessen, können sie doch nicht von einem gesetzlichen Auftrag
sprechen. Sie haben im letzten
«Das ist Tierquälerei und die feigste Art überhaupt,
um Tiere zu erlegen»
Jagdjahr 46 geschützte Tafelenten und 28 Reiherenten geschossen.
Vor Jahren noch 140 Feldhasen, später 70 bis 80 pro Jahr, bis unsere
Initiative kam. Jetzt schiessen sie nur noch einen pro Jahr. Das ist
wohl alles Zufall, oder?
Huwyler: Sie bilden sich aufgrund der nackten Abschusszahlen ein
Urteil. Das kann man nur beurteilen, wenn man sie dem Bestand und der
Zeitsituation gegenüberstellt. Sie sollten sich in Landschaftspflege
engagieren, das dient den Feldhasen wirklich. Solange es genügend hat,
kann man die Wildtiere nutzen.
Die Aargauer Jäger haben fast 5100 Rehe,
3000 Füchse und über 1000 Wildschweine erlegt, ohne Eingriffe würden die
Bestände doch viel zu gross?
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SCHLAGABTAUSCH Erhard
Huwyler, Präsident des Aargauischen Jagdschutzvereins (links), und
Wildtierpräsident Peter Suter.
ANDRÉ ALBRECHT |
Suter: Man muss nicht so viele Tiere
schiessen, die Jäger haben in einigen Revieren selber Mühe damit. Die
Tiere kommen nicht mehr aus dem Wald, weil sie dauernd Stress haben. Die
Jäger behaupten immer, wir wollten ein Jagdverbot, aber das stimmt
nicht. Wenn sie aber später doch noch eins wollen, können wir das schon
machen, können wir das schon machen
Wir wollen, dass die Tiere artgerecht und verantwortungsbewusst erlegt
werden. Das ist mit der Treibjagd nicht möglich, sie ist eine Erfindung
der Jäger. In anderen Kantonen geht das auch, aber bei uns können 20
Jäger kommen mit ihren Hunden und nehmen auch noch zehn Treiber mit. Die
Welt verändert sich, nur die Jäger können sich nicht anpassen. Darum
müssen wir sie per Initiative zwingen.
Huwyler: Die festgelegte Reduktion erfolgt nach Vorgabe mit
Gemeinden, Förstern und Jägern. Ich kann dafür garantieren, dass die
Jagd auf den Grundsätzen der Nachhaltigkeit basiert. Das heisst, den
Bestand sichern und den Zuwachs nutzen. Wir hätten im Jagdjahr 2004/05
genau 5200 Rehe erlegen sollen, sind aber mit 5088 nicht ganz auf die
Vorgabe gekommen. Bei den Füchsen ist es genauso, die Bestände sind also
gut. Sagen sie den geschädigten Bauern im Fricktal ja nicht, wir würden
geschützte Wildschweine abschiessen.
Herr Suter, sind Sie bei Rehen und Wildschweinen mit den Reduktionen
einverstanden?
Suter: Nein, man müsste auch diese weniger stark bejagen, die
Jäger machen das soziale Gefüge bei den Tiergruppen kaputt. Sie
schiessen einfach wahllos möglichst viel ab. Jeder Ökologe wird ihnen
sagen, das ist die Natur, das ist auch bei anderen Tierarten so, selbst
bei den Menschen. Wenn der Bestand in Bedrängnis kommt, dann vermehren
sich die Tiere stärker. Gegen eine gewisse Regulierung bei
Überpopulation haben wir |
nichts einzuwenden. In unserer Region hat es aber
keine Wildschweine, das ist nur in wenigen Bezirken ein Problem.
Es ginge also mit deutlich weniger Schüssen der Jäger auch, Herr
Huwyler?
Huwyler: Die unberührte Naturlandschaft gibt es seit Eva im
Paradies nicht mehr. Die Zahlen sind eine Vereinbarung mit allen
involvierten Stellen. Die Jäger erheben nur den Bestand, aber alle zwei
Jahre machen Gemeinde, Forstdienst und Jäger diese Vereinbarung. Die
Zahl muss noch durch die elf Bezirksjagdkommissionen bestätigt werden,
meist vom Kreisförster präsidiert.
Suter: Drei Viertel der Förster sind auch Jäger, da spielt
natürlich der ganze Filz mit, die Jäger selber bestimmen doch die Zahl.
Solange die Jäger geschützte Wildtiere abschiessen, müssen sie sich
nicht wundern, wenn ihre Glaubwürdigkeit leidet. Man sieht ja keine
Wildtiere mehr, das ist doch sicher nicht normal.
Ein harter Vorwurf, die Jäger seien unglaubwürdig. Huwyler:
Das ist etwa gleich schlimm wie der Vorwurf mit dem Filz. Die Pächter
überwachen ihr Jagdgebiet das ganze Jahr, während 365 Tagen. Das gibt
halt sehr intensive Kontakte mit Gemeinderäten und Förstern, das ist
so. Wenn sie das mit Filz abtun, ist der Vorwurf so massiv wie jener der
Unglaubwürdigkeit. Nur in einem Punkt kann ich ihnen Recht geben. Die
Tiere haben zu wenig Ruhe und sind zu sehr gestresst. Da hätten wir eine
gemeinsame Aufgabe, die Ansprüche von Freizeit und Erholung an den Wald
sind stark übertrieben. Gegen 50 Freizeit-Sportarten werden im Wald
ausgeübt, das Wild wird in die dichteste Krautschicht zurückgedrängt.
Suter: Einverstanden bin ich damit, dass die Tiere heute einen
starken Stress haben. Aber dann |
kommen die Jäger noch dazu und verschärfen das
Problem mit der tierquälenden Treibjagd.
Die Jäger müssen immerhin eine strenge Prüfung machen.
Suter: Die Jagdprüfung ist nicht strenger als die
Autoprüfung, wenn der Jäger das Jagdpatent einmal hat, kann er auf die
Jagd, bis er umfällt. Schauen Sie doch das Durchschnittsalter der Jäger
an, die sind total überaltert.
Huwyler: Tatsächlich haben wir eine gewisse Überalterung, aber da
ist Herr Suter mitschuldig, weil er mit seiner Propaganda einen gewissen
Teil von der Jagd abhält. Unser Bestreben ist es, junge Leute wieder zu
motivieren. Falls die beiden Initiativen etwas Gutes haben, dann ist es
das heftige Wachrütteln der
Jäger. Jetzt sind wir auf dem Weg zur Öffentlichkeit und zu mehr
Transparenz.
Sind die älteren Jäger sicher?
Huwiler: Vor den älteren Jägern habe ich hohen Respekt, wir
brauchen sie für die tägliche Arbeit im Revier, die sehr aufwänig ist...
Suter:... dann lassen sie es doch endlich bleiben und hören auf.
Huwyler: Wenn Tiere angefahren werden, sagen sie wohl auch, wir
lassen sie liegen und fahren nochmals drüber. Ich bin auch Wildhüter und
muss mindestens zwanzigmal im Jahr solche Einsätze machen. |
Mit derart unbekümmerten Vorwürfen bringt eine Diskus
sion nichts. Verantwortungs- lose Jäger kenne ich keine, aber bei
tausend Jägern können auch einmal ein Fehler passieren Von unseren 1300
Gesellschaft mitgliedern sind 900 Pächter,
Suter: Viele Jäger sind in der
Entwicklung stehen geblieben,
wenn einer seit 40 Jahren auf die Jagd geht, ändert er sich nicht mehr.
Aber es gibt auch andere Jäger, die zu mir sagen, sie könnten dieses
Gemetzel nicht mehr mitmachen.
Wie viel Geld setzen Sie für die Abstimmung ein?
Suter: Unser Verein hat hundert Mitglieder und 12 000 Franken
für die Abstimmung, die Jäger aber haben rund eine Viertelmillion
Franken. Bei der Haseninitiative war es gleich viel, in drei Jahren
werfen die Jäger eine halbe Million Franken für Propaganda auf. Mit 44
Prozent Ja haben wir mehr als einen Achtungserfolg erreicht.
Huwyler: Dieses Geld würden wir auch lieber für Wild und Natur
einsetzen. Doch wir haben eine klare Verantwortung, die Jagd zu
betreiben, müssen das aber in einem heiklen Umfeld tun. Die heutige
Gesellschaft lebt stark naturentfremdet und kann die Jagd kaum mehr
nachvollziehen. Darum müssen wir den Leuten erklären, um was es hier
geht. Mit einem Einzelansitz gäbe es ungleich stärkere Störungen für das
Wild als bei den kurzen Treibjagden.
Das Fazit in einem Satz.
Suter: Die Treibjagd braucht es wirklich
nicht. Man hetzt nicht nur die Tiere umher, die man abschiesst, sondern
alle anderen auch noch.
Huwyler: Die Initiative bringt unnötige Einschränkungen und keine
Verbesserungen, sie steht den Jägern absolut im Weg, die ihre
Abschussverpflichtung tierschonend erfüllen wollen. |