21 MZ Donnerstag, 10. November 2005, Aargauer Zeitung
Gute Methode oder Tierquälerei:
Volksinitiative Treibjagd AJV-Präsident Erhard Huwyler und Initiant Peter Suter im Duell
Über die Volksinitiative für ein Verbot der Treibjagd wird am 27. November im Aargau abgestimmt. Zum Streitgespräch im wahrsten Sinne des Wortes trafen sich AJV-Präsident Erhard Huwyler und Haupt-initiant Peter Suter.

HANS LÜTHI
 

Peter Suter, die Treibjagd hat sich doch seit Jahrzehnten bewährt, warum also abschaffen?
Peter Suter: Das ist eine überholte Tradition, die Jagd ist noch wie vor hundert Jahren. Das ist Tierquälerei und die feigste Art überhaupt, um Tiere zu erlegen. Doch die Jäger hän­gen an dieser Methode, weil es bequem und schnell geht, aber für die Tiere ist es brutal. Ohne jegliche Würde und ohne Gefühl werden diese Tiere erlegt, viele auch nur angeschossen.
Erhard Huwyler: Das ist natürlich eine sehr selbstgefällige Ansicht über die Jagd, die sie seit Jahren verbreiten. Wir sind der fester Überzeugung, für eine nachhaltige Naturnutzung sind die Treibjagd und die Bewegungsjagd sehr effiziente Methoden, um die Wildtierbestände zu regulieren. Das lässt sich leicht mit zwei Zahlen belegen: 60 Prozent der Rehwildstrecke und 40 Prozent des Schwarzwildes werden bei der Treibjagd erlegt. Gemäss den Vorgaben des Gesetzes.

Also erfüllen die Jäger nur ihren gesetzlichen Auftrag?
Suter: Aber Herr Huwyler, wenn sie bedrohte Wildtiere abschiessen, können sie doch nicht von einem gesetzlichen Auftrag sprechen. Sie haben im letzten

«Das ist Tierquälerei und die feigste Art überhaupt, um Tiere zu erlegen»

Jagdjahr 46 geschützte Tafelenten und 28 Reiherenten geschossen. Vor Jahren noch 140 Feldhasen, später 70 bis 80 pro Jahr, bis unsere Initiative kam. Jetzt schiessen sie nur noch einen pro Jahr. Das ist wohl alles Zufall, oder?
Huwyler: Sie bilden sich aufgrund der nackten Abschusszahlen ein Urteil. Das kann man nur beurteilen, wenn man sie dem Bestand und der Zeitsituation gegenüberstellt. Sie sollten sich in Landschaftspflege enga­gieren, das dient den Feldhasen wirklich. Solange es genügend hat, kann man die Wildtiere nutzen.

Die Aargauer Jäger haben fast 5100 Rehe, 3000 Füchse und über 1000 Wildschweine erlegt, ohne Eingriffe würden die Bestände doch viel zu gross?
 



SCHLAGABTAUSCH Erhard Huwyler, Präsident des Aargauischen Jagdschutzvereins (links), und Wildtierpräsident Peter Suter.                                                                                                                                                                                                                    ANDRÉ ALBRECHT

Suter: Man muss nicht so viele Tiere schiessen, die Jäger haben in einigen Revieren selber Mühe damit. Die Tiere kommen nicht mehr aus dem Wald, weil sie dauernd Stress haben. Die Jäger behaupten immer, wir wollten ein Jagdverbot, aber das stimmt nicht. Wenn sie aber später doch noch eins wollen, können wir das schon machen, können wir das schon machen
Wir wollen, dass die Tiere artgerecht und verantwortungsbewusst er­legt werden. Das ist mit der Treibjagd nicht möglich, sie ist eine Erfindung der Jäger. In anderen Kantonen geht das auch, aber bei uns können 20 Jäger kommen mit ihren Hunden und nehmen auch noch zehn Treiber mit. Die Welt verändert sich, nur die Jäger können sich nicht anpassen. Darum müssen wir sie per Initiative zwingen.
Huwyler: Die festgelegte Reduktion erfolgt nach Vorgabe mit Gemeinden, Förstern und Jägern. Ich kann dafür garantieren, dass die Jagd auf den Grundsätzen der Nachhaltigkeit basiert. Das heisst, den Bestand sichern und den Zuwachs nutzen. Wir hätten im Jagdjahr 2004/05 genau 5200 Rehe erlegen sollen, sind aber mit 5088 nicht ganz auf die Vorgabe gekommen. Bei den Füchsen ist es genauso, die Bestände sind also gut. Sagen sie den geschädigten Bauern im Fricktal ja nicht, wir würden geschützte Wildschweine abschiessen.

Herr Suter, sind Sie bei Rehen und Wildschweinen mit den Reduktionen einverstanden?
Suter: Nein, man müsste auch diese weniger stark bejagen, die Jäger machen das soziale Gefüge bei den Tiergruppen kaputt. Sie schiessen einfach wahllos möglichst viel ab. Jeder Ökologe wird ihnen sagen, das ist die Natur, das ist auch bei anderen Tierarten so, selbst bei den Men­schen. Wenn der Bestand in Bedrängnis kommt, dann vermehren sich die Tiere stärker. Gegen eine gewisse Regulierung bei Überpopulation haben wir

nichts einzuwenden. In unserer Region hat es aber keine Wild­schweine, das ist nur in weni­gen Bezirken ein Problem.

Es ginge also mit deutlich we­niger Schüssen der Jäger auch, Herr Huwyler?
Huwyler: Die unberührte Naturlandschaft gibt es seit Eva im Paradies nicht mehr. Die Zahlen sind eine Vereinbarung mit allen involvierten Stellen. Die Jäger erheben nur den Bestand, aber alle zwei Jahre machen Gemeinde, Forstdienst und Jäger diese Vereinbarung. Die Zahl muss noch durch die elf Bezirksjagdkommissionen be­stätigt werden, meist vom Kreisförster präsidiert.
Suter: Drei Viertel der Förster sind auch Jäger, da spielt natür­lich der ganze Filz mit, die Jäger selber bestimmen doch die Zahl. Solange die Jäger geschützte Wildtiere abschiessen, müssen sie sich nicht wundern, wenn ihre Glaubwürdigkeit leidet. Man sieht ja keine Wildtiere mehr, das ist doch sicher nicht normal.

Ein harter Vorwurf, die Jäger seien unglaubwürdig. Huwyler: Das ist etwa gleich schlimm wie der Vorwurf mit dem Filz. Die Pächter überwa­chen ihr Jagdgebiet das ganze Jahr, während 365 Tagen. Das gibt halt sehr intensive Kontak­te mit Gemeinderäten und Förs­tern, das ist so. Wenn sie das mit Filz abtun, ist der Vorwurf so massiv wie jener der Unglaubwürdigkeit. Nur in einem Punkt kann ich ihnen Recht geben. Die Tiere haben zu wenig Ruhe und sind zu sehr gestresst. Da hätten wir eine gemeinsame Aufgabe, die Ansprüche von Freizeit und Erholung an den Wald sind stark übertrieben. Gegen 50 Freizeit-Sportarten werden im Wald ausgeübt, das Wild wird in die dichteste Krautschicht zurückgedrängt.
Suter: Einverstanden bin ich damit, dass die Tiere heute einen starken Stress haben. Aber dann

kommen die Jäger noch dazu und verschärfen das Problem mit der tierquälenden Treib­jagd.

Die Jäger müssen immerhin eine strenge Prüfung machen.
Suter: Die Jagdprüfung ist nicht strenger als die Autoprüfung, wenn der Jäger das Jagdpatent einmal hat, kann er auf die Jagd, bis er umfällt. Schauen Sie doch das Durchschnittsalter der Jäger an, die sind total überaltert.
Huwyler: Tatsächlich haben wir eine gewisse Überalterung, aber da ist Herr Suter mitschuldig, weil er mit seiner Propaganda einen gewissen Teil von der Jagd abhält. Unser Bestreben ist es, junge Leute wieder zu motivie­ren. Falls die beiden Initiativen etwas Gutes haben, dann ist es das heftige Wachrütteln der

Jäger. Jetzt sind wir auf dem Weg zur Öffentlichkeit und zu mehr Transparenz.
Sind die älteren Jäger sicher?
Huwiler: Vor den älteren Jägern habe ich hohen Respekt, wir brauchen sie für die tägliche Arbeit im Revier, die sehr aufwänig ist...
Suter:... dann lassen sie es doch endlich bleiben und hören auf.
Huwyler: Wenn Tiere angefahren werden, sagen sie wohl auch, wir lassen sie liegen und fahren nochmals drüber. Ich bin auch Wildhüter und muss mindestens zwanzigmal im Jahr solche Einsätze machen.

Mit derart unbekümmerten Vorwürfen bringt eine Diskus sion nichts. Verantwortungs- lose Jäger kenne ich keine, aber bei tausend Jägern können auch einmal ein Fehler passieren Von unseren 1300 Gesellschaft mitgliedern sind 900 Pächter,
Suter: Viele Jäger sind in der
Entwicklung stehen geblieben,
wenn einer seit 40 Jahren auf die Jagd geht, ändert er sich nicht mehr. Aber es gibt auch andere Jäger, die zu mir sagen, sie könnten dieses Gemetzel nicht mehr mitmachen.

Wie viel Geld setzen Sie für die Abstimmung ein?
Suter: Unser Verein hat hundert Mitglieder und 12 000 Franken für die Abstimmung, die Jäger aber haben rund eine Viertelmillion Franken. Bei der Haseninitiative war es gleich viel, in drei Jahren werfen die Jäger eine halbe Million Franken für Propaganda auf. Mit 44 Prozent Ja haben wir mehr als einen Achtungserfolg erreicht.
Huwyler: Dieses Geld würden wir auch lieber für Wild und Natur einsetzen. Doch wir haben eine klare Verantwortung, die Jagd zu betreiben, müssen das aber in einem heiklen Umfeld tun. Die heutige Gesellschaft lebt stark naturentfremdet und kann die Jagd kaum mehr nachvollziehen. Darum müssen wir den Leuten erklären, um was es hier geht. Mit einem Einzelansitz gäbe es ungleich stärkere Störungen für das Wild als bei den kurzen Treibjagden.

Das Fazit in einem Satz.

Suter: Die Treibjagd braucht es wirklich nicht. Man hetzt nicht nur die Tiere umher, die man abschiesst, sondern alle anderen auch noch.
Huwyler: Die Initiative bringt unnötige Einschränkungen und keine Verbesserungen, sie steht den Jägern absolut im Weg, die ihre Abschussver­pflichtung tierschonend erfül­len wollen.